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Bär

Das Gesicht elegant. Nicht wie ein Metzger aussieht. Weiße Jacke, weiße Hose, weiße Stiefel. Kein Tropfen Blut.

Ab elf stand er rauchend vor dem offenen Tor. Jeden Tag um elf, wenn ich von den Wiesen heimkam. Neben ihm sein Geselle. Weiße Hose, weiße Jacke, weiße Stiefel, kein Tropfen Blut.
Dass es ein Schlachtraum war, wusste ich nicht. Ich kannte nur den Metzgerladen auf der anderen Seite der Wand. Bis ich zum ersten Mal hineinschaute, wusste ich es nicht. Haken und Seile, Riemen und Ketten. Gekachelt die Wände.
Nur eine Wand trennte die Räume. Nur eine Wand.


Eigene Produkte. Das Schild an der Tür.


Im Sommer sah ich sie mit dem Hänger. Sie fuhren die Feldwege entlang. Bär und sein Geselle. Luden Tiere ein. Jeweils nur eins. Rind um Rind.
Bär hat einen guten Ruf. Die Leute im Dorf sagen:
Gut! Gut für die Tiere. Keine Transporte mehr.
Sagen die Leute. Gut für die Tiere, sagte ich.


Wollte meinen Gästen etwas ganz Besonderes kochen.
An diesem Tag war der Blick in den Schlachtraum versperrt. Ein breiter Hänger, von einer zur anderen Seite. Keine Hand passte dazwischen.


Höre. Hufe, Schritte, viele kleine Schritte, Hufe auf Metall. Und die Schritte bin ich. Atem, schwerer Atem. Und der Atem bin ich.


Das Geschäft auf der anderen Seite der Wand gefüllt.
Stehe in einer Schlange. Starre auf die Wand.
Und die Wand bin ich.


Die Leute beklagen das Wetter.
Bald Pfingsten. Und immer noch kalt.
Starre auf die Wand.


Wann? Jetzt? Gleich? Sofort?
Es ist still hinter der Wand. Und die Wand bin ich. Und der Stillstand bin ich.


Muss mich anlehnen. Rücken nass, Herzklopfen bis zum Hals. Angst! Wovor?
Hinter der Wand - ein Schlag. Kurz, dumpf. Nur einer. Und der Schlag trifft mich.


Und? Was kann ich für sie tun?
Die Frau ist freundlich.


Nichts! sage ich. Renne aus dem Geschäft.
Komme zurück. Die Frau steht vor der Tür, schaut mich an. Freundlich.


Entschuldigen Sie, ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich habe das Tier gehört. Eben. Bevor ich kam, habe ich das Tier gehört. Ich kann nicht.
Tränen laufen mir aus den Augen. Sie schaut mich an. Ruhig.


Ich verstehe Sie, sagt sie. Ich habe auch nicht geglaubt, dass ich je einen Schlachter heiraten könnte.


Danke, sagte ich, reiche ihr meine Hand.
Sie nimmt meine Hand in ihre Hände.
So bleiben wir stehen. Eine kurze Zeit. Nichts, was uns trennt. Verlasse zum zweiten Mal den Ort.
Dieses Mal für immer. Sie, das wusste ich, sie würde ich nicht vergessen.


Ich erzähle meinen Gästen.
Gregor lacht. Er hat eine Lücke zwischen zwei Zähnen. Die schaue ich an.
Ja, ja, die Schnitzel wachsen nicht auf den Bäumen, sagt er. Und lacht.

Bär: Text
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