top of page

Die Fremde

Von der Scheune bis zum Pavillon war es nicht weit. 
Die Sonne brach sich in der Kugel auf dem Dach, die blau-weiße Farbe – einladend. 

Ich erinnerte mich an Lenas Worte: 
Das sei nichts für mich. Dort würden die Uhren stehenbleiben. 

Die Türe ließ sich leicht öffnen. Es war ein winziger, leerer Raum mit zwei Stühlen, mehr nicht. 
Ich hatte mich gerade auf einen der Stühle gesetzt, als der Boden unter meinen Füßen wankte. 
Der Raum schrumpfte und dehnte sich gleich darauf wieder aus.
Ich hatte keinen Namen mehr und jeden Namen. 
Ich hatte kein Alter mehr und jedes Alter.
Es gab keine Zeit, keine Nicht-Zeit. 
Ich hätte nicht sagen können, ob ich eine Frau oder ein Mann war.
Eltern gehabt habe oder keine.
Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt? 
Nirgendwo war ich, und nirgendwann.
Nichts trieb mehr. Kein Gedanke. Was soll ich wollen, jetzt, da ich nichts mehr will?
Von wo weggehen, wenn ich nirgendwo herkam? 
Wohin gehen, wenn ich nirgendwo hinwill?
Was wird mich „Ich“ sagen lassen? 
Wer bestimmt das? Wer soll es bestimmen? 
Wenn nicht ich, die kein Ich mehr hat.

Als ich aufwachte, saß Lena neben mir auf dem Boden. Du bist ohnmächtig geworden, sagte sie, mehr nicht. Kein Vorwurf.
 

DieFremde-0823.jpg

Die Fremde

Jagi Christiana Polasek

bottom of page