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Jonathan

Er hatte die schwarze Wolke nicht gesehen, die sich hinter dem Berg hervorgeschoben hatte. Er hatte nicht bemerkt, dass die Sonne seinen Rücken nicht mehr wärmte. Er hatte nicht gemerkt, wie es plötzlich windstill wurde. Die Luft sich gelb färbte. Erst als die ersten dicken Tropfen fielen, schaute er auf. Dann ging alles sehr schnell.

Jeder kannte die Unwetter in dieser Gegend. Was jetzt geschah, war anders. Von einer Sekunde auf die andere brach der Sturm los. Drückte die ersten Büsche auf den Boden. Wirbelte Zweige durch die Luft. Wassermassen stürzten herunter. Blitz und Donner wechselten einander in immer kürzeren Abständen ab.

Er lief durch den Fluss, rannte den Weg zurück durch die Wiesen, das Wasser floss ihm aus den Haaren, Rücken und Bauch hinunter, stand in den Schuhen. Vielleicht schaffte er es noch bis zum Bus.
Zu spät. Vom Bus sah er nur noch die Rücklichter.

Ein winziges Gefährt hielt neben ihm. Jemand winkte durch die Scheibe. Zostrianos! 
Zostrianos öffnete einen Spalt weit die Tür, schrie.

Jonathan! Steig ein, es ist gefährlich.

Jonathan kletterte auf den Sitz neben ihm. Die Straße, ein Wasserlauf. Zostrianos saß mit dem Gesicht dicht vor der Windschutzscheibe. Immer wieder rutschte der Wagen.

Wir fahren zu mir. Weiter kommen wir nicht!

Zostrianos schrie, damit Jonathan ihn hören konnte.

Mein Haus ist hier in der Nähe. Im Moment kommen wir nicht weiter. Wir müssen das Unwetter abwarten.

Sie fuhren den Berg hinauf. Die Straße – ein Bachlauf. Wasser, Wasser. Es stieg und stieg. Die Scheibenwischer surrten. Die Straße nicht mehr zu sehen.

Gleich sind wir da!

Sie fuhren über eine Brücke. Ein Bach quoll unter der Brücke hervor. Ein breiter Schwall brachte den Wagen zum Wanken. Jonathan schrie auf.

Keine Angst, wir fallen nicht um.

Hinter der Brücke bog er ab in eine Bucht.

Wir sind da, Jonathan. Komm, halt meine Hand fest. Du hältst meine Hand ganz ganz fest, nicht wahr, Jonathan, ganz ganz fest hältst du meine Hand. Es wird nichts passieren.

In der Ferne hörte man einen lang gezogenen Schrei, ein seltsames, knirschendes Geräusch. Dann war wieder Stille.

Was war das? 

Jonathan hatte Angst.

Keine Ahnung.

Soll ich dich tragen?

Nein, nein, ich kann schon ...

Soll ich dich wirklich nicht tragen?

Nein, nein …

Blitz und Donner wechselten einander ab. Wasser, nichts als Wasser. Bis zum Fußknöchel reichte es Jonathan. Sehen konnte man nichts. Zostrianos zog ihn weiter hinter sich her einen Weg entlang. Dann standen sie vor einer Haustür. Vor der Tür ein Hund, zitternd.

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Jonathan

Jagi Christiana Polasek

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